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INTERVIEW  
Goldfräsen:  
bewährtes Material in neuem Gewand  
Hochgoldhaltige Legierungen: Von vielen in der Branche schon lange totgesagt, bekommt der Werkstoff in Zeiten von  
CAD/CAM neuen Aufwind, sagt ZTM Martin Weppler, Inhaber von „dentalgerade – Dienstleistungen – Consulting –  
Labor“ in Weingarten/Baden. Im Interview spricht er über die Vorteile von EM-Legierungen und stellt das Fräsen von  
dünnen hochgoldhaltigen Sekundärkäppchen vor.  
Herr Weppler, sind teure, hochgoldhaltige Legierun-  
gen in der Ära von CAD/CAM und Zirkoniumdi-  
oxid ein Werkstoff, der vielleicht morgen  
schon in unserem Berufszweig nicht mehr  
verwendet wird?  
Dennoch gibt es viele Dentallabore, die behaupten,  
kein Gramm Gold mehr zu verarbeiten.  
Es gibt aber auch die, die über eine Zunahme ih-  
res Verbrauches berichten. Nein, Goldlegierun-  
gen werden erhalten bleiben. Die Umsätze sind  
Nein, da muss ich ganz klar widersprechen.  
seit 2003 zwar dramatisch zurückgegangen,  
Denn ganz im Gegenteil: Die CAD/CAM-Tech-  
aber das ist nicht geschehen, nur weil die Ma-  
nologie hat es überhaupt erst möglich gemacht,  
terialien plötzlich schlecht gewesen wären.  
diese Materialgruppe wieder sichtbar zurück auf  
Interessant ist, dass seit dem vergangenen Jahr  
die Bühne zu holen. Zum Beispiel das Wimsheimer  
Unternehmen C.HAFNER postete unlängst auf Face-  
book die Installation einer weiteren Industrie-Fräsmaschine  
mit Roboter-Automation. Nur für das Goldfräsen. Das ist doch auch  
ein Statement.  
Diese wurde mit Sicherheit nicht gekauft, weil es der Steuerberater  
geraten hatte. Und nicht wenige Kollegen haben erkannt, dass die  
Vorteile der CAD/CAM-Technologie nun auch beim Gold greifen  
und machen sich diese zunutze. Weitere werden hinzukommen. Es  
lohnt sich für die Labore, darüber nachzudenken, Goldfräsen in ihr  
Portfolio zu integrieren (Abb. 1a u. b).  
der Preis für Kobalt exorbitant steigt, was mit der  
E-Mobilität korreliert, wo Kobalt einer der wichtigsten  
Rohstoffe für die Batterieherstellung ist. Es wird gar eine  
Verknappung dieses Rohstoffes prognostiziert. Wir dürfen ge-  
spannt sein, ob sich das auf den NEM-Sektor auswirkt.  
Richtig aber ist, dass hochgoldhaltige Legierungen mittlerweile nur  
noch Teil einer der vielen Materialgruppen sind, aus denen Zahner-  
satz gefertigt wird. Diese Entwicklung ist maßgeblich der CAD/  
CAM-Technik geschuldet und entspricht dem Zeitgeist. Zeigen Sie  
mir eine aktuelle Produktgruppe, mit der wir beruflich oder privat  
zu tun haben, die nicht in einem Wust von unterschiedlichen Pro-  
duktvarianten zu ersticken droht. Das beginnt bei gefühlt 300  
Müsli-Sorten im Supermarkt und endet bei den inzwischen unzäh-  
ligen vollkeramischen Systemen in unserem Beruf. Die uns zur Ver-  
Abb. 1a: Einer der Hauptvorteile von CAD/CAM liegt in der möglichen repro-  
duzierbaren, sehr hohen Materialqualität. Diese Qualität muss aber vom Materi-  
alhersteller mit einer hohen Verlässlichkeit geliefert werden und darf kein Zufall  
sein. Das Gefügebild einer Krone (OK5, C.HAFNER, Wimsheim) zeigt, dass der  
Patient quasi automatisch ein homogenes Gefüge erhält. Hochgoldhaltige Le-  
gierungen sind aber nicht deshalb zwangsläufig biokompatibel, weil sie diesen  
Nimbus besitzen. Ich muss sie als Hersteller auch dazu in die Lage versetzen.  
Abb. 1b: Solche Gussgefüge passen nicht mehr in die Zeiten von CAD/CAM und  
sollten der Vergangenheit angehören.  
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INTERVIEW  
fügung stehenden Materialien und deren Untergruppen bieten uns  
scheinbar nie dagewesene Auswahlmöglichkeiten, aber auch eine  
ebenso noch nie dagewesene Verwirrung.  
Sehen Sie das als Vor- oder als Nachteil?  
Nun, der Kuchen der Lösungen für die vielfältigen Indikationen, der  
uns zur Verfügung steht, hatte früher ganz wenige Stücke. Nehmen  
wir als Beispiel teleskopierenden, herausnehmbaren Zahnersatz. Zur  
Auswahl standen EM oder NEM. Speziell bei uns im süddeutschen  
Raum wurde, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, aus-  
schließlich Gold verarbeitet. NEM war ein Nebenkriegsschauplatz.  
Für andere Materialien war auf dem Auftragszettel noch kein Käst-  
chen vorgesehen.  
Eine hochgoldhaltige Legierung ist mittlerweile ein Material unter  
vielen und muss sich sogar gegen die durchaus interessanten Hoch-  
leistungspolymere behaupten. Nichtsdestotrotz bleibt es das, was  
es immer war – evidenzbasiert, sehr hochwertig, sehr funktionell,  
sehr nachhaltig und langlebig. Und mittlerweile – in Zeiten von Mi-  
nuszinsen – ist es sogar eine der wenigen probaten Geldanlagen.  
Genau aus diesem Grund gilt es, jetzt das Beste aus diesem Mate-  
rial herausholen. Und CAD/CAM hilft dabei (Abb. 2).  
Abb. 2: In vielen Laboren werden Primärteile mittlerweile ausschließlich digital  
konstruiert. Die zur Verfügung stehenden CAD-Programme erlauben ein sehr  
schnelles und präzises Design. Weshalb also sollte man die Primärteile nicht direkt  
aus dem Blank herausfräsen lassen, anstatt diese im CAD/CASTVerfahren erneut  
einem Umwandlungsprozess zu unterwerfen?  
INTERVIEW  
Also waren hochgoldhaltige Legierungen als Material doch  
noch nicht gut genug?  
C.HAFNER erhalte, sind manuell und auf breiter Basis in dieser ho-  
hen Qualität von mir nicht herstellbar. Die Zeiten des zahntechni-  
schen Alchemisten sind bald endgültig vorbei. Der Hauptvorteil der  
CAD/CAM-Technologie liegt in der vorhersagbaren hohen Qualität  
der Materialien begründet. Das ist allerdings kein Automatismus:  
Eine hohe Qualität entsteht nicht automatisch, nur weil CAD/CAM  
draufsteht.  
Die hochwertigen Varianten aus der Gruppe der edelmetallhaltigen  
Legierungen, die als Legierungsplättchen das Firmentor verlassen,  
sind und waren so gut wie immer. Aber ihr weiterer Werdegang  
passt bald nicht mehr in die Welt, wie sie sich heute auch in unse-  
rem Beruf darstellt. Hinzu kommt bzw. kam die Vielzahl der rund  
2.400 Dentallegierungen auf dem Markt. Diese markierten den  
dentalen Irrsinn schlechthin und so viele hat auch kein Patient ge-  
braucht. Außerdem waren da viel zu viele metallurgische Kompro-  
misse im Ring, die nur dem Vertrieb und dem Marketing nach dem  
Mund geredet haben.  
Damit räumt CAD/CAM jetzt endlich auf. Auch denken die jungen  
Techniker mehr und mehr digital. Die klopfen sich nicht mehr stun-  
denlang auf die Schulter, weil sie wieder einen massiven Guss mit  
95 gr. Legierung passabel hinbekommen haben und nur drei Lunker  
haben lasern oder löten müssen. Die haben mit derlei Bastelei nichts  
mehr am Hut, im Gegensatz zu uns Alten. Uns blieb ja oft nichts  
anderes übrig.  
Wie ist Ihre Prognose: Wird sich der Anteil der aus Hochgold  
hergestellten Arbeiten wieder erhöhen?  
Wir sind alle keine Hellseher. Dem Kassenpatienten, der aktuell eine  
NEM-Kaufläche bekommt, weil er sich eine vernünftige per Kassen-  
dekret nicht leisten darf, wünsche ich eine aus einer gefrästen,  
hochgoldhaltigen, adaptiven Legierung. Die künstlich auf preiswert  
getrimmte „Vollguss“-NEM-Krone braucht aus gnathologischer  
Sicht kein Mensch (Abb. 3).  
Es gilt eine Aufgabe zu lösen: Ich muss alle Erwartungen, Anforde-  
rungen und die mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ken-  
nen. Auf dieser Grundlage wähle ich aus, wie und mit welchen  
Materialien ich diese lösen möchte bzw. lösen kann. Und wenn der  
Kunde einen klar definierten Wunsch hat, versuche ich diesen zu  
erfüllen. Was wir vielleicht wieder tun sollten, ist, dem „Kunden“  
Patient das Thema Gold als wertbeständige und werthaltige Alter-  
native zu präsentieren. Darüber wird oft nicht mehr geredet. Und  
wenn ich an eine konkrete Patientenarbeit denke, dann erkenne ich  
auch, dass ich ganz neue, digital bedingte Anforderungen erfüllen  
will, ja muss.  
Unternehmen wie C.HAFNER, die über Jahrzehnte hartnäckig und  
konsequent ihren Claim abgesteckt haben, profitieren jetzt, obwohl  
die Luft dünner geworden ist. Nicht unbedingt von einem prospe-  
rierenden Goldverbrauch, sondern von ihrem Anteil am Goldver-  
brauch. Und weil andere inkonsequent handeln oder bereits aufge-  
geben haben. Aufgrund einer kerngesunden Modellpflege, die  
auch minimale Verbesserungen im Kleinen erkennt und umsetzt,  
kann man dann auch Nischen mit Gewinn besetzen.  
Erklären Sie uns diese Aussage bitte näher.  
Unser Nachwuchs hat es begriffen, im CAD/CAM-Zeitalter jede zu-  
sätzliche und unnötige manuelle Be- und Umarbeitung eines Mate-  
rials kritisch zu hinterfragen. Jede Steigerung der Qualität ist heute,  
wo Konfektionswaren einen solch hohen Qualitätsstandard erreicht  
haben, direkt beim Schopf zu packen. Der Verbraucher erwartet  
eine hohe Qualität, direkt aus der Packung. Selbstredend. Das ist  
z.B. eines der Erfolgsgeheimnisse des neuerlichen NEM-Hypes. Dass  
man die großen Hufeisen, die massiven Lunker und die anfälligen  
Teile nicht mehr gießen muss. Und dass man in die identische Zeit-  
einheit mehr Umsatz packen kann. Ja, packen muss, weil die Mar-  
gen, einhergehend mit schwindendem Fachpersonal, nach unten  
gehen werden.  
Weshalb also nicht auch beim Gold strukturieren und optimieren?  
Die Gefüge der Arbeiten, die ich z.B. aus dem Fräszentrum von  
Sie haben eben eine aktuelle Patientenarbeit erwähnt, bei  
der für Sie ein zunehmend wichtig werdender Vorteil des  
Goldfräsens offensichtlich wurde.  
Richtig. Es ist eine der Arbeiten, von denen ich überzeugt bin, dass  
sie mehr werden. Es sind die herausnehmbaren teleskopierenden/  
geschiebeartigen Arbeiten. Es wird davon auszugehen sein, dass  
bei solchen Versorgungen die Suprastruktur einer Neuanfertigung,  
Umstrukturierung oder Revision bedarf, die Primärstruktur aber  
noch top in Schuss ist. Und hier kommt jetzt der IO-Scanner mit ins  
Spiel. Wir scannen die Teile einzeln ein und lassen 0,2 mm dünne  
hochgoldhaltige Sekundärkäppchen fräsen. Nennen wir das Ganze  
„Galvanomill. Parallel dazu erhält der Patient entweder eine Reise-  
prothese aus PMMA gefräst oder trägt weiter seine alte Prothese.  
Dann erfolgt mit den im Mund angepassten Käppchen eine Sam-  
melabformung, auf der anschließend mit dem neuen Set-up weiter-  
gearbeitet wird. Was bisher mit nicht gerade „biegefesten“ Galva-  
nokäppchen gemacht wurde, wird nun mit einer gegen Verformung  
resistenten Legierung gelöst.  
Abb. 3: Welches Material hätte die eingebrachten okklusalen Kräfte so unbe-  
schadet bzw. so adaptiv über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren über sich  
ergehen lassen wie diese Inlaylegierung (Orplid Inlay, C.HAFNER)?  
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Abb. 4: Primärteile aus Zirkoniumdioxid in situ. Der Patient benötigt eine Revision  
Abb. 5: Heute in deutschen Laboren: Der Patient erhält nach erfolgtem Wax-  
seiner Prothese.  
up (analog auf Basis der alten Prothese oder digital neu) eine Reiseprothese aus  
PMMA und ist erst einmal versorgt.  
Der Patient spart Kosten, weil er seine Primärstruktur beibehält, und  
erhält eine neue Laufkultur mit hochgoldhaltigen, hygienischen,  
stabilen Sekundärkäppchen.  
Diese Methode der Fräsung dünner Goldkäppchen bietet sich auch  
für diejenigen an, die kein Galvano machen bzw. machen wollen.  
Das geht übrigens auch ohne taktilen Scanner (Abb. 4–6).  
Wird dieses Fräsen von dünnen Sekundärteilen aus einer  
EM-Legierung die Galvanotechnik ablösen?  
Ich denke nicht. Aber die Galvanotechnik bekommt eine interessan-  
te Alternative zur Seite gestellt. Die eben beschriebene Arbeit ana-  
log mit Gusstechnik lösen zu wollen, ist keine zielführende Lösungs-  
möglichkeit im Jahre 2018. Es stehen uns pfiffigere Techniken zur  
Verfügung. Also: lasst sie uns nutzen! Der Gedanke, die Innenfläche  
eines Sekundärteiles nicht mehr mit Strahlsand zu traktieren und  
eventuell zu verändern oder abzusäuern, sondern das Ganze clean,  
homogen und mit einer verdichteten Oberfläche aus dem CAD/  
CAM-Blank zu erhalten, ist so schlecht nun auch nicht.  
Abb. 6: Standard der Zukunft? Auf Basis eines IO-Scans werden die Sekundär-Te–  
leskope gefräst. Das abgebildete Gold-Teleskop ist maximal 0,2 mm dick. Nach  
der Sammelabformung der Teile in situ wird die Arbeit – auf Basis der Daten der  
Reiseprothese – neu gefräst. Hier bieten sich zukünftig alternativ auch präfabri-  
zierte Blanks für Totalprothesen an.  
Es werden immer mehr Primärteile aus Zirkoniumdioxid her-  
gestellt. Funktionieren die beschriebenen dünnen gefrästen  
Goldbuchsen auch darauf?  
len könnten. Das Material ist duktil. Vielleicht kann so das Thema  
Micro-Gaps zwischen individuellem Emergenzaufbau und Implan-  
tatinsert neu beleuchtet werden. Eine Klebebasis muss nicht zwin-  
gend aus Titan sein. Natürlich hätten wir dann ein weiteres Legie-  
rungselement mit im Spiel. Das gelte es zu bewerten.  
Und ich frage mich, wann denn endlich die „German Teleskop Kro-  
ne“ auch im Ausland Beachtung findet. Die Voraussetzungen auf-  
grund der CAD/CAM-Technik werden doch immer besser, auch  
diese bewährte – bisher sehr manuell geprägte Technik – innerhalb  
einer strukturierten Baukastentechnologie umzusetzen. Auch das  
Thema Primär-/Sekundärteil in einem digitalen Arbeitsgang gehört  
hier dazu.  
Ich bin überzeugt, jedes Material und jede Technik, welche sich in  
einen digitalisierten Prozess wirtschaftlich einbauen lässt und mittels  
derer man wesentliche Elemente bei den benötigten Qualitäten ver-  
bessert, wird ihr Plätzchen finden. Und da gehört das Goldfräsen  
dann auch dazu.  
Nicht nur ja, sondern sogar fast noch besser als auf anderen Mate-  
rialien. Wir haben hier bei allen bisher gefrästen Teilen sehr schöne  
Ergebnisse erzielen können. Aber natürlich geht das unter Umstän-  
den nicht auf Anhieb. Die ersten Testfräsungen laufen deshalb über  
den Transfer der Scan-Daten eines Referenzmodelles aus Zirkonium-  
dioxid. Schließlich hat jedes Labor, jeder Scanner und jedes  
CAD-Programm seine eigenen Gesetzmäßigkeiten. Ich muss mich  
beim Outsourcen eventuell an die richtigen Parameter herantasten.  
Und nicht so geübte Techniker können bei dieser Gelegenheit gleich  
die Fräsgenauigkeit ihrer Primärteile überprüfen.  
Sehen Sie weitere Möglichkeiten, wo das Goldfräsen noch  
Einzug halten könnte?  
Ich könnte mir vorstellen, dass im Bereich der Implantattechnik bei  
den Inserts der Pre-Fab-Teile Goldlegierungen eine neue Rolle spie-  
Herr Weppler, wir danken Ihnen für das Gespräch.  
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